Plötzlich aufzuwachen und nicht mehr sprechen zu können, ist die schreckliche Erfahrung, die ein Mensch mit Aphasie durchmacht. Sie kommen ins Krankenzimmer und möchten mit Ihrem Angehörigen reden. Aber Sie erhalten keine verständliche Antwort. Ihr Angehöriger schaut Sie an, versucht Worte zu formen, deutet mit den Händen und bringt unverständliche Laute hervor. Was ist passiert? Ihr Angehöriger hat eine Aphasie. In der Bundesrepublik Deutschland sind rund 85.000 Menschen von Aphasie betroffen. Jährlich kommen ca. 30.000 Neuerkrankte hinzu. Viele Angehörige stehen dieser Situation oft hilflos gegenüber.

Definition und Ursachen Aphasie ist eine erworbene Sprachstörung, die nach einer Schädigung der linken Gehirnhälfte auftreten kann. Ursache solch einer Schädigung ist in vielen Fällen ein Schlaganfall. Andere mögliche Ursachen sind Hirnblutungen, Hirntumore, entzündliche Prozesse oder Schädelhirnverletzungen (etwa nach einem Unfall). Das Wort “Aphasie” ist ein medizinischer Fachbegriff und bedeutet “ohne Sprache”. Aphasie bedeutet aber nicht unbedingt einen totalen Sprachverlust. Je nach Ausmaß und Lokalisation der Schädigung tritt die Sprachstörung Aphasie in unterschiedlichen Schweregraden auf. Klinisch werden vier Aphasiesyndrome unterschieden. Aphasie hat nichts mit geistiger Behinderung oder psychischer Störung zu tun. Aphasie verändert die sprachliche Kommunikationsfähigkeit, die Fähigkeit zu Denken bleibt vollkommen erhalten.

Betroffene Funktionsbereiche
Sprachproduktion und Sprachverständnis sind gestört, aber auch damit verbundene Bereiche wie Lesen, Schreiben, Gestik und Mimik können unterschiedlich stark betroffen sein.
Sprechen: Viele Menschen mit Aphasie haben Mühe, sich spontan zu äußern, wenn sie angesprochen werden und antworten wollen. Manche sprechen nur Silben, die sie aneinander reihen, andere sprechen sehr langsam und es gelingt ihnen nur mit Mühe, Wörter zu bilden. Wieder andere finden nicht die passenden Wörter. Manche Betroffene sprechen dagegen flüssig, verwechseln jedoch dabei Laute und Wörter. Zudem sind grammatische Fehler sehr häufig. Es kann vorkommen, dass Menschen mit Aphasie etwas ganz anderes sagen, als sie ausdrücken wollten. Viele verwechseln inhaltlich ähnliche Wörter wie “rechts” und “links” oder vertauschen “ja” und “nein”. Manche Betroffene äußern immer wieder dieselben Laute und Wörter, ohne dies verhindern zu können.
Schreiben: Oft werden Grapheme vertauscht, hinzugefügt oder ausgelassen. In vielen Fällen werden Wörter zwar richtig geschrieben, oft aber mit einem bedeutungs- oder klangähnlichen Wort verwechselt. Manche produzierten Wörter haben aber auch keine Ähnlichkeit zum eigentlichen Zielwort.
Verstehen: Menschen mit Aphasie haben häufig Schwierigkeiten, gesprochene und geschriebene Sprache zu verstehen. Viele können einem Gespräch nicht gut folgen oder verstehen bestimmte Äußerungen falsch, besonders dann, wenn schnell gesprochen wird oder wenn mehrere Personen am Gespräch beteiligt sind.
Lesen: Viele von Aphasie Betroffene verlieren ihre Lesefähigkeit ganz, andere teilweise. Aber selbst bei schweren Lesestörungen können manchmal gut bekannte Wörter gelesen werden. Oft werden gelesene Wörter mit sinnverwandten Wörtern verwechselt, z.B. liest ein Betroffener statt “Jacke” evtl. “Mantel”. Manche können einzelne Wörter und Sätze lesen, aber deren Bedeutung nicht verstehen.
Umgang mit Zahlen: Bei vielen Menschen mit Aphasie ist die Fähigkeit, mit Zahlen umzugehen, das heißt sie zu nennen, zu schreiben, zu lesen oder mit ihnen zu rechnen, beeinträchtigt.
Gestik und Mimik: Manchmal sind auch Gestik und Mimik gestört. Dann entsprechen Handbewegungen und Gesichtsausdruck nicht dem, was die Betroffenen eigentlich ausdrücken möchten.
Je nach Ausprägung der Symptomatik werden verschiedene Aphasiesyndrome unterschieden. Die gebräuchlichste Klassifikation ist die Unterscheidung zwischen: Globaler Aphasie, Broca-Aphasie, Wernicke-Aphasie, Amnestischer Aphasie und Restaphasie. Daneben treten aber auch Sonder- und Mischformen auf. Da sich bei den meisten Menschen das Sprachzentrum in der linken Hirnhälfte befindet, tritt auch eine Aphasie in der Regel nach einer Schädigung der linken Hirnhälfte, meist der Großhirnrinde (Cortex) auf, zum Beispiel nach einem Schlaganfall oder einer Hirnblutung in der betreffenden Region.

Es folgt ein Überblick über typische Merkmale der verschiedenen Aphasiesyndrome:

Globale Aphasie
Verstehen und Produzieren von Sprache schwer betroffen, gar keine oder nur wenig inhaltsreiche verbale Kommunikation möglich, Auftreten von Sprachautomatismen, die nur aus aneinandergereihten sinnlosen Silben bestehen (z.B. dodododo).

Broca-Aphasie
Patient spricht meist unflüssig, mit Pausen, viele lautliche oder Bedeutungs-Fehler, häufige Selbstkorrekturversuche, kurze, häufig unvollständige oder ungrammatische Sätze. Das Sprachverständnis ist auch betroffen, aber häufig im Vergleich zur Sprachproduktion relativ gut erhalten. Die Kommunikation ist insgesamt mittelschwer bis schwer gestört.
Beispiel: Spontansprache eines Patienten mit Broca-Aphasie

Wernicke-Aphasie
Patient spricht flüssig, teilweise überschießend, aber inhaltsarm bis inhaltsleer. Häufige Verwendung von inhaltsleeren Floskeln (z.B. Na, Sie wissen schon, mal so mal so) oder auch von Wörtern und Phrasen, die es gar nicht gibt (Neologismen, z.B. Flanduline gabadene), Auftreten von Satzverschränkungen, Sprachverständnis stark beeinträchtigt. Die Kommunikation ist insgesamt mittelschwer bis schwer gestört.
Beispiel: Spontansprache eines Patienten mit Wernicke-Aphasie

Amnestische Aphasie
Herausstechendes Merkmal sind die Wortfindungsstörungen mit Suchen von Wörtern und Umschreibungen, während andere Bereiche wie Lautstruktur und Satzbau häufig wenig beeinträchtig sind. Patient spricht meist flüssig, es kann aber durch die Wortfindungsstörungen zu Satzabbrüchen kommen. Die Kommunikation ist insgesamt eher leicht bis mittelschwer gestört.
Beispiel: Spontansprache eines Patienten mit Amnestischer Aphasie

Restaphasie
Die Kommunikation ist weitgehend ungestört bis auf Restsymptome wie Schwierigkeiten mit Texten, vereinzeltes Suchen nach Wörtern, leichten Einschränkungen in der Schriftsprache, vereinzelte lautliche oder Bedeutungsfehler.